Triggerwarnung: Gestörtes Essverhalten
Ich wurde in der letzten Zeit von Leserinnen immer wieder mal gefragt, warum ich meinen Fitness- und Diätblog Ein Pummel Wird Fit eingestellt habe. Ich wusste, ich möchte dazu noch Stellung nehmen und euch meine Entscheidung erläutern. Aber erst jetzt – fast zwei Jahre nachdem ich den Blog unwiderruflich gelöscht habe – habe ich dieses Thema für mich soweit aufarbeiten können, dass ich darüber schreiben kann.
Eine kurze Zusammenfassung meiner Diätvergangenheit:
- Ich war immer etwas moppeliger. Mit 13 fing ich mit den ersten Diäten an.
- Als ich meinen ersten Freund hatte und gerade mit dem Abitur fertig war, nahm ich innerhalb kürzester Zeit aus Langeweile viele Kilo zu und erreichte mit Anfang 20 mein Höchstgewicht.
- Mit Mitte 20 fühlte ich mich so unwohl in meiner Haut, dass ich wieder anfing, abzunehmen. Es pendelte sich auf ein „normales“ Gewicht ein.
- Als aus der langen Beziehung eine Fernbeziehung wurde und letztendlich zerbrach, stürzte ich mich voll in die Fitnessschiene und erreichte nach 3 Jahren Hungern und 6x Sport pro Woche mein niedrigstes Gewicht im Sommer 2016.
- Bis zu meiner Weltreise 2019 stieg mein Gewicht wieder leicht, aber ich war immer noch hochgradig essgestört und sehr schlank.
- Erst auf meiner Weltreise sah ich meine Essstörung als solche ein und begann, aus ihr auszubrechen.
Während der Reise im Oktober 2019 entstand auch mein Blogpost „Es reicht!“, in dem ich mit dem Diätwahn endgültig Schluss machte. Es war einfach zu viel. Ich konnte und wollte mich nicht mehr jede wache Minute mit Essen und Fitness auseinandersetzen. Durch den ständigen Hunger in den Vorjahren drehte sich in meinem Kopf alles um Essen. Morgens ab dem Zeitpunkt, wo ich meine Augen aufschlug, bis ich abends erschöpft einschlief.
Das war auch einer der Gründe, weshalb ich die ersten Monate meiner Weltreise sehr unglücklich war. Ich konnte meinen strengen Diät Regeln und meiner Sport Routine nicht mehr nachgehen und nahm unweigerlich zu. ZUM GLÜCK überwog immer meine Neugier auf fremde Küchen und ich probierte trotzdem alle Leckereien aus.
Auf Bali reichte es mir dann endgültig, nachdem ich das Buch Body Positive Power von Megan Jayne Crabbe* gelesen hatte. Ich war durch mit Diät. Ich weiß noch, als ich in Ubud auf dem Balkon meines Hotels saß und dachte:
„Ich kann mir das einfach nicht weiter antun.“
In Australien und Neuseeland hörte ich auf meinen Körper und gab ihm, wonach er verlangte. Das waren hauptsächlich Kohlenhydrate, nachdem ich mich jahrelang Low Carb ernährte. Ich inhalierte jedes Brot, das mir unterkam und ließ meinem Körper freie Hand.
Ohne dieses Rausreißen aus meiner Routine und Umfeld durch die Weltreise, hätte ich den Absprung aus der Essstörung nicht geschafft. Ich will mir nicht vorstellen, wohin mich das Hungern und der Extremsport noch gebracht hätten.
Es war nie genug.
Kaum hatte ich Kilozahl XY erreicht, wollte ich mehr. Noch ein bisschen dünner. Immer weiter verschwinden. Mein Körper war so damit beschäftigt, auf Sparflamme zu leben, dass meine Periode und Haare ausfielen. Ich war zwar so dünn wie nie zuvor, aber keinen Deut glücklicher. Im Gegenteil. Ich dachte, würde ich nur abnehmen, wäre ich attraktiver und Männer lägen mir zu Füßen. Wie ich jetzt weiß, hat das eine aber nichts mit dem anderen zu tun.
Die Weltreise war ein harter Cut.
Als ich zurückkam, pendelte sich mein Gewicht im Januar 2020 ein, ohne mein Zutun. Siehe da – plötzlich war meine Laune besser, ich war wieder lustig, belastbarer und entspannter. So fing ich dann auch an, mich bei einer Dating App anzumelden. Während meiner Hungerphase wäre das undenkbar für mich gewesen, obwohl ich mich so sehr nach Nähe sehnte. Ich fühlte mich nie dünn genug und mein Selbstbewusstsein war am Boden.
- Bis heute halte ich dieses Gewicht ohne darüber nachzudenken und wiege wieder genau so viel wie mit 16 Jahren.
- Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich wohl in meiner Haut und akzeptiere meinen Körper.
- Ich kann wieder spontan ein Eis essen, ohne dass ich den restlichen Tag überlege, wie ich die Kalorien wieder abtrainieren kann.
Ich esse, worauf ich Lust habe und wann immer ich Hunger habe. Ich habe zwar eine Routine, mit der ich mich wohl fühle, aber meine Welt bricht nicht mehr zusammen, wenn ich von dieser Routine abweiche. Früher wären spontane Besuche im Restaurant undenkbar für mich gewesen. Oder einen Abend nicht zu wissen, was ich essen werde. Diese Leichtigkeit habe ich so sehr vermisst.
Auf Instagram und Youtube habe ich alle Fitness- und Foodaccounts gelöscht. In meinem permanenten Hunger habe ich früher Stunden damit verbracht, neue Rezepte zu suchen und Kochvideos anzuschauen, anstatt selbst zu essen.
Mein Tipp: Anstatt solche Accounts nur zu entabonnieren, teilt eurem Instagram Algorithmus mit, dass ihr diese Art Content nicht sehen wollt („…“ beim Feedpost -> Verbergen).
Es war ein sehr langer und harter Weg, aber ich fühle mich endlich angekommen. Nach 32 Jahren Kampf gegen meinen Körper habe ich ihn endlich akzeptiert. Ich habe endlich wieder den Kopf frei von Fitness und Ernährung und kann das Leben wieder genießen. Ohne mich über mein Aussehen oder meinen Körper definieren zu müssen.
Ich lehne sämtliche Diäten oder sportliche Quälerei für mich ab. Essen ist Genuss und Kraftstoff für meinen Körper, Sport soll sich gut anfühlen und Spaß machen.
Ich bin jetzt mit meinen Kurven zufriedener, als ich es zu meinen dünnsten Zeiten je war. Das strahle ich auch aus. Ich habe endlich Spaß an der Mode gefunden und setze meine Figur in Szene, anstatt sie zu kaschieren. Zumal ich nun endlich eine nachhaltige Garderobe aufbauen kann, denn mein Gewicht wird nicht mehr jedes Jahr um 10-20 kg schwanken.
Was nicht heißt, dass ich nicht auf meine Ernährung achte. Ich versuche nach wie vor Dinge zu essen, die mir gut tun. Das kann viel Gemüse sein, oder auch Schokolade am Abend. Es ist eine unfassbare Erleichterung, nicht mehr stundenlang ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich etwas „Verbotenes“ gegessen habe.
Mein intensives Dating über die letzten Monate hat mir auch viel Klarheit über meinen Körper verschafft. Ich möchte mich nicht kaschieren und stehe zu meiner Figur. Mein Gewicht war für mich nie ein Thema, das ich mit einem Date besprochen hätte. Ganz im Gegenteil – ich fühlte mich diesbezüglich immer gut und stabil und das wurde auch von meinen Gegenübern bestätigt. Ich glaube, Männer riechen es förmlich, wenn man mit sich unzufrieden ist. Aber solange ich mich gut finde und selbstbewusst auftrete, wird das nie ein Thema sein.
Womit ich immer noch Probleme habe sind Videos oder Texte, in denen Essstörungen dargestellt werden. Wenn ein Seriencharakter eine Binge-Eating-Episode hat oder Bodyshaming thematisiert wird, muss ich abschalten. Diese „Trigger“, also Auslöser negativer Emotionen, fallen mir sehr schwer. Ich schotte sämtliche Diäten und Fitnesswahn bewusst ab, um nie wieder in diese Sucht zu verfallen.
Ich bin wahnsinnig leidenschaftlich, was Body Positivity in meinem Familien oder Freundeskreis angeht. Es bricht mir das Herz, wenn meine Freundinnen kritisch über ihre eigenen Körper sprechen. Weil ich es so lange auch getan habe und ich weiß, wie schlecht man sich fühlen kann. Ich akzeptiere meinen Körper nun so wie er ist und bewundere ihn für seine Leistung. Dass er bisher alle Eskapaden mitgemacht hat, die ich mir eingebildet habe.
Bitte seid lieb zu euch. Wie ihr über euch und euren Körper sprecht hat einen direkten Einfluss auf eure Psyche.
Somit habe ich mich auch entschlossen, meinen Blog „Ein Pummel Wird Fit“ zu löschen.
Ich konnte mich nicht mehr damit identifizieren. Diese Phase meines Lebens ist zum Glück abgeschlossen und ich bin größtenteils geheilt. Mein Aussehen bestimmt nicht mehr meinen Leben. Es fühlt sich einfach frei, gesund und glücklich an. Auch wenn ich unzählige Stunden an Arbeit in meine Artikel gesteckt habe – ich stehe nicht mehr dazu.
27 Kommentare
Liebe Carina, ja, jaaa, jaaaaa! Du hast so recht, znd ich freue mich so für dich für diese mentale Leichtigkeit, das Mehr an Lebensfreude und -qualität, und die Wertschätzung für deinen Körper. Du bist genau richtig und gut wie du bist, egal was du wiegst. Ich lerne das auch gerade. Deine Abkehr von Diät- und Fitnesswahn ist genau richtig, was du ja auch an deinem viel besserem Wohlbefinden schilderst. Gratuliere! Viele liebe Grüße aus dem Norden.
Vielen Dank liebe Svenja. Gibt einfach so viel schönere und spannendere Themen im Leben.
… und ein dickes Dankeschön für deinen tollen Artikel. Es gibt so viele Frauen und Mädchen, die immer noch so leiden, und genau darum sind solche Artikel so wichtig.
Danke für diesen ehrlichen Post! Man merkt es dir an, dass du dich wohl fühlst. Alles Liebe :-)
Ich fühle es so sehr… Ich hoffe, viele Menschen lesen deinen Post und nehmen für sich etwas mit.
Liebste Carina,
Vielen Dank dass du deine Erfahrung und Erlebnisse so offen mit uns teilst! Ich bewundere dich sehr und du inspiriert mich häufig. Ich finde dich sehr smart und eloquent. Die Bilder in diesem Post sind toll du siehst fantastisch aus!
Liebe Grüße
Jessica
Tausend Dank liebe Jessica :)
Klasse Artikel und wahre Worte. Es freut mich sehr, dass es dir inzwischen besser geht und ich wünsche dir, dass es auch so bleiben wird. ♥
Viele liebe Grüße
Melanie
Danke liebe Melanie :) Das habe ich vor!
Meine Tochter ist 16 und leidet seit einem Jahr an Anorexie. Ich kann nicht damit umgehen, dass ich ihr nicht helfen kann. Danke für Deinen Buchtipp- ich habe das Buch direkt bestellt, ich klammere mich an jeden Strohhalm. Ich freue mich so sehr für Dich, dass Du es geschafft hast, der Essstörung zu entkommen!
Das tut mir sehr leid liebe Sabine, ich kann deine Ohnmacht nachfühlen…
Liebe Carina,
das ist so schön zu lesen! Freue mich, dass es dir jetzt so viel besser geht! :)
Liebe Grüße!
Britta
Danke liebe Britta!
Liebe Carina
Ich freue mich so für dich, dir ist gelungen, was so vielen Frauen niemals gelingt: sich selbst zu lieben und zu akzeptieren. Ich habe dich früher dafür bewundert wieviel du abgenommen hast, aber heute bewundere ich dich noch viel mehr! Im Nachhinein zu wissen, wie unglücklich du damals warst, tut mir richtig leid und es freut mich so sehr, dass du einen Weg raus gefunden hast, dass du heute für dich und deinen Körper einstehst!
Du hast wirklich eine andere Ausstrahlung, du wirkst entspannt und selbstbewusst und weiblich.
Geniesse dieses neue Lebensgefühl!
Liebste Grüsse
Debi aus der Schweiz😘
Ich hoffe, dass ich das auch irgendwie weiter vermitteln kann. Ich werde rasend vor Wut, wenn sich Frauen selbst schlecht machen oder sich wegen ihres Aussehens weniger wert fühlen. Das Erschreckende ist, dass es selbst den schönsten, intelligentesten und tollsten Frauen so geht!
Glück beginnt im Kopf, so ist es!!! Ich war eigentlich schon immer unglücklich mit meiner Figur und dann kam Corona und ich habe im ersten Lockdown ca. 8 Kilo zugenommen, die ich bis heute drauf habe. Ich habe 1000 Gedanken daran verschwendet, wie ich diese Kilos loswerden kann. Und langsam wird mir klar: auch vorher fühlte ich mich schon zu dick und unwohl (obwohl ich überhaupt nicht dick war!!!) und es würde wohl nie aufhören, weil irgendwas doch immer dünner oder straffer werden soll. Also versuche ich umzudenken, ich kaufe neue Klamotten in denen ich mich wohlfühle und versuche nicht mich in alte Jeans zu hungern. Ich versuche mich intuitiv gesund zu ernähren, aber ich verbiete mir nichts. Du inspirerst mich sehr, vielen Dank für den Post. :)
Besonders die letzten 1 1/2 Jahre waren eine so beschissene Zeit. Sei froh, dass du sie so toll durchgestanden hast! Was sind da ein paar Kilo mehr. Diesen emotionalen Stress zu verarbeiten ist eine riesige Leistung!
Danke für deine Gedanken! Du siehst einfach super aus und vor allen Dingen fühlst du es selbst und das ist genau das, was du ausstrahlst :-) Mach weiter so, bleib bei dir selbst und lass dich von nix aus der Ruhe bringen!
Ich habe das Thema nicht so krass erlebt, aber ich muss sagen, dass ich auch immer höchst selbstkritisch war und es mir auch besser geht seit Anfang 30, keine Ahnung was sich da geändert hat, aber ich hadere nicht mehr so mit mir und das Selbstbewusstsein ist ein ganz anderes als Teenie oder in den 20ern…..irgendwie hats glaube ich auch etwas mit dem „älter“ werden zu tun….wie auch immer, bleib wie du ist <3
Das auf jeden Fall auch! Da hat mir die Weltreise und mein unabhängiges Leben auch sehr viel Selbstbewusstsein gegeben.
Es freut mich sehr, dass du dich endlich „gefunden“ hast!
Ich war immer sehr dünn, habe dann in einer Beziehung endlich einen guten Bezug zu mir gefunden. Die Trennung vor kurzem hat das alles wieder zerbrochen und ich bin gerade wieder in meiner Abwärtsspirale. Auch wenn wir damit aus zwei sehr unterschiedlichen Richtungen kommen, tut es mir gut zu lesen, dass es Wege zur Selbstliebe gibt.
Alles Gute!
Ich kenne das Gefühl. Ich wusste, dass es Zeit ist, mit dem Daten aufzuhören, als sich der Gedanke einschlich… „vielleicht bin ich doch zu dick?“
Ab da war mir klar – NOPE Carina, hör sofort auf. So will ich nie nie nie wieder über mich denken. Deshalb ist es wieder Zeit für mich, alleine zu sein!
Super Artikel!Danke für deine Offenheit!Du bis genauso wie Du bist perfekt!Leider ist es heutzutage nicht einfach, sich selbst zu akzeptieren!
LG
Das ist es in der Tat nicht. Ich habe 32 Jahre dafür gebraucht!
Ich folge dir seit Anfang deiner Weltreise und man konnte deine Entwicklung richtig sehen. Deine Ausstrahlung hat sich einfach so krass verbessert, gerade jetzt in den letzten Wochen auch noch mal. Ich finde es wundervoll, dass du dein Gleichgewicht gefunden hast!
Vielen Dank liebe Dunja. Toll, dass das auch von Außen sichtbar ist!
Toller Artikel, danke fürs Teilen.
Ich finde, dass dein Beitrag auch Mut macht.
Danke für deine Offenheit!
LG:)
Das freut mich liebe Kirsten!